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Zweite Chance vertan

Mittwoch, der 21. März 20012001, Politische Partizipation, Pressemitteilungen, Themen

Mit dem im Bundesrat zur Abstimmung anstehenden Zuwanderungsgesetz werde nach der misslungenen Staatsangehörigkeitsreform eine weitere Chance vertan, die Einwanderung, Integration und Gleichstellung der kulturellen Minderheiten in der Bundesrepublik zu regeln, erklärte die Türkische Gemeinde in Deutschland.

Der Zuwanderungsgesetzentwurf fördere nicht die Integration und  Gleichstellung der hier lebender kulturellen Minderheiten, er sei restriktiv und teilweise ausgrenzend, so heißt es in der Erklärung der Türkische Gemeinde in Deutschland.

  1. Die Ungleichbehandlung von Migrantinnen und Migranten wird, von wirtschaftlichen Nützlichkeitskriterien ausgehend, vertieft, insbesondere in der Frage des Kindernachzugs. Die unterschiedlichen Altersgrenzen von 18 und 12 Jahren bedeuten die Schaffung eines womöglich verfassungswidrigen Mehrklassenrechts.
  2. Die Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltsrechts (Niederlassungserlaubnis) wird erheblich erschwert, die Hürden sind künftig zum Teil noch höher als bei der Einbürgerung (u.a. eine Staatsbürgerkundeprüfung). Von diese Regelungen werden ca. 2,3 Millionen Menschen, die derzeit mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland leben, betroffen sein.
  3. Auch die Integration wird nunmehr nicht so groß geschrieben wie im ursprünglichen Entwurf. Die Kurse für bereits hier lebende Einwanderer wurden gestrichen, für Neuankömmlinge sollen sie nur noch “zur Erlangung ausreichender Sprachkenntnisse” führen, bei der gesellschaftlichen Orientierung legt man sich nicht mehr auf eine Stundenzahl fest. Anstelle von Anreizen zur Teilnahme droht bei Nichtteilnahme eventuell sogar die Ausweisung. Dabei ist es verfassungsrechtlicher Unfug, zugezogene Ehepartner/-innen wegen Nichtteilnahme ausweisen zu wollen.
  4. In Deutschland geborene und aufgewachsene Jugendliche können entgegen der Empfehlung der Süssmuth-Kommission und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte wegen einer Straftat auch künftig in ein Land ausgewiesen werden, in dem sie nie gelebt haben.
  5. Die wenigen Fortschritte im Flüchtlingsschutz (Anerkennung nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgungsgründe) bedeuten letztlich nicht mehr als eine Anpassung an völkerrechtliche Verpflichtungen. Außerdem wird das Asylrecht  eingeschränkt, u.a. durch die Nichtanerkennung von Nachfluchtgründen sowie den Ausschluss der Flüchtlinge vom Asylrecht, die verspätet der Verteilung in eine Asylaufnahmeeinrichtung nachkommen.
  6. Der Gesetzentwurf baut gegenüber Flüchtlingen diskriminierende Strukturen auf. Er sanktioniert mit der unverändert weiter geltenden Abschiebehaft, dem auf Flüchtlinge mit humanitärem Aufenthaltsrecht ausgeweiteten Asylbewerberleistungsgesetz und der ebenfalls ausgeweiteten Residenzpflicht die Ausgrenzung und Isolation von Flüchtlingen.
  7. Menschen ohne Papiere finden im Gesetzentwurf keine Erwähnung. Mindeststandards wie das Recht auf medizinische Hilfe, Schulbesuch oder Beratung werden nicht gesichert, das Zuwanderungsgesetz schreibt im Gegenteil öffentlicher Stellen vor, hilfesuchende Menschen ohne Papiere der Polizei und der Ausländerbehörde mitzuteilen.