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Stellungnahme zur Polizeigewalt in Deutschland

Stellungnahme der Türkischen Gemeinde in Deutschland anlässlich des Deutschlandbesuches von David Davies, Berichterstatter der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) zum Thema “Bekämpfung von Rassismus in der Polizei”

Polizeigewalt in Deutschland / Perspektive TGD

Das Thema der Polizeigewalt in Deutschland ist für die Türkische Gemeinde in Deutschland eng verknüpft mit den Erfahrungen von Menschen in Deutschland, die ethnischen Minderheiten angehören. Damit steht für die TGD die Frage in Vordergrund, welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, damit Diskriminierungen (bis hin zu Gewalthandlungen) durch die Polizei gegenüber Angehörigen ethnischer Minderheiten in Deutschland abgestellt würden.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland orientiert sich in ihren Forderungen bezüglich auf die notwendigen Veränderungen in den ermittelnden Behörden weitgehend an den Empfehlungen der Macpherson Commission aus Großbritannien, die weitergehend sind als jene im Bericht des NSU Untersuchungsausschusses. Die Erfahrungen aus der Umsetzung der Empfehlungen durch die Londoner Polizei sollten für den deutschen Kontext genutzt werden.

Forderungen der TGD bezogen auf das Themenfeld:

1. Sachliche Auseinandersetzung mit dem vorhandenen institutionellen Rassismus in einem Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft

3. Beschwerdemanagement bei den Polizeibehörden analog der Empfehlungen des Menschenrechtskommissars des Europarates, d.h. definitiv durch unabhängige Beschwerdestellen

4. Sofortiges Ende von rassistischen Verfahrensweisen, wie dem Ethnic Profiling

5. Kennzeichnungspflicht für alle Beamt_innen der Polizeibehörden bundesweit
6. Umfassendes Diversity-Management bei den Landes- und Bundesbehörden, insbesondere bezogen auf den Bereich der Personalentwicklung (Aus-, Fort-, und Weiterbildung, Einstellungs­strategien)

zu 1.

Perspektiven im Detail

Im Nachgang der Ermittlungen zu den NSU Morden und deren Auswertung durch die Untersuchungskommission lässt sich festhalten, dass die in Deutschland lebenden Minderheiten das Vertrauen in die Polizei verloren haben. Sie fühlen sich nicht gleichermaßen geschützt und geschätzt wie der herkunftsdeutsche Teil der Bevölkerung.

Dieses Vertrauen kann nur langfristig zurückgewonnen werden. Die Polizeibehörden von Bund und Ländern müssen durch umfassende und tiefgreifende Veränderungen das abstellen, was bereits im Kontext der Untersuchung des Stephen Lawrence Falls in Großbritannien zu Recht als institutioneller Rassismus bezeichnet wurde.

Definition:

„Institutioneller Rassismus ist das kollektive Versagen einer Organisation, für Menschen bezüglich ihrer Hautfarbe, Kultur oder ethnischen Herkunft geeignete und professionelle Leistungen zu erbringen. Er lässt sich in Prozessen, Einstellungen und Verhaltensweisen festmachen, welche auf eine Diskriminierung, durch unbewusste Vorurteile, Ignoranz, Gedankenlosigkeit und rassistische Stereotypen, die ethnische Minderheiten benachteiligen, hinauslaufen.“

Das Abstellen dieses Versagens erfordert unserer Einschätzung nach einige Sofortmaßnahmen, die auch für einen deutlichen Rückgang der Polizeigewalt führen sollten.

Aus dem LKA-Bericht vom 20.01.2007: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“

zu 3.

In der Ausgestaltung des Beschwerdemanagements folgt die TGD den Empfehlungen des Kommissars für Menschenrechte beim Europarat für das Beschwerdemanagement bei Polizeibehörden.

Unabhängigkeit:

zwischen Ermittler und dem von der Beschwerde betroffenen Polizeibeamten sollte weder eine institutionelle noch eine hierarchische Verbindung bestehen. Zudem muss die Unabhängigkeit auch in der Praxis bestehen.

Angemessenheit:

Die Untersuchungsbefugnis muss auch die Beweiserhebung umfassen, um eine eventuelle Rechtswidrigkeit des beanstandeten Polizeiverhaltens feststellen und die Verantwortlichen identifizieren und bestrafen zu können.

Unverzüglichkeit:

Die Untersuchung sollte umgehend und zügig durchgeführt werden, um das Vertrauen in den Rechtsstaat aufrechtzuerhalten.

Öffentliche Überprüfung:

Verfahrensabläufe und Entscheidungen müssen offen und transparent sein, damit die Rechenschaftspflicht gewährleistet ist.

Einbeziehung des Opfers:

Beschwerdeführer sollten zur Wahrung ihrer rechtmäßigen Interessen in das Beschwerdeverfahren eingebunden werden.

Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle sollte die Aufsicht über das Polizeibeschwerdesystem haben und gemeinsam mit der Polizei verantwortlich sein für:

•  die Sichtbarkeit und das Bekanntmachen des Beschwerdesystems

•  die Aufsicht über das Beschwerdesystem,

•  die Verfahren zur Meldung, Erfassung und Zuweisung von Beschwerden,

•  die Vermittlung in Beschwerdefällen, die nicht untersucht werden,

•  die Untersuchung von Beschwerden und

•  die Erledigung von Beschwerden und deren Nachprüfung

Zu 5.

Kennzeichnungspflicht für Beamt_innen bundesweit:

Die persönliche Identifizierung, zum Beispiel durch das sichtbare Tragen eines Namens oder einer Nummer, holt Täter aus der Anonymität. Sie verbessert die effektive Strafverfolgung von Polizisten bei Misshandlungen oder sonstigen Gesetzesverstößen. Bisher gilt die Kennzeichnungspflicht nur in Berlin und Brandenburg (Polizeiarbeit ist Ländersache!)