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Optionszwang: Offener Brief an Gabriel

Donnerstag, der 27. März 20142014, Pressemitteilungen, Themen, Türkei und EU

Sehr geehrter Herr Gabriel,

noch  im  Herbst  2013  war  die  Abschaffung  des  Optionszwangs  im Staatsangehörig-keitsrecht eine der Grundbedingungen für eine Beteiligung der SPD an der Bundesregierung: ?

Deutschlands Kinder sollen auch deutsche Staatsbügrer bleiben, deshalb wollen wir den Optionszwang abschaffen.? (Beschluss  des  außerordentlichen Parteikonvents der SPD am 20.Oktober 2013)

Die  in  den  Verhandlungen  mit  der  Union  schließlich erreichte  Vereinbarung (?Für  in Deutschland  geborene  und  aufgewachsene  Kinder  ausländischer  Eltern  entfällt  in Zukunft  der  Optionszwang?)  wurde  von  führenden  Sozialdemokratinnen  und  Sozialdemokraten  als  ersatzlose  Streichung  des  Optionszwangs  aus  dem  Staatsangehörigkeitsrecht interpretiert und kommuniziert – sowohl gegenüber der Öffentlichkeit als auch  gegenüber  den  Mitgliedern  der  SPD.  So  hat  zum Beispiel  die  stellvertretende Vorsitzende  der  SPD,  Frau  Aydan  Özo?uz,  von  einem  ?Paradigmenwechsel  im Staatsangehörigkeitsrecht?  gesprochen  und  erklärt: ?Die  Optionspflicht  wird  abgeschafft.  Das  ist  ein  großer  Erfolg  für  uns  und  wird  in  den  nächsten  Jahren  hunderttausenden Betroffenen helfen.?

Unter anderem mit diesem ?Erfolg? hat die Spitze dre SPD bei ihren Mitgliedern um die  Zustimmung  zum  Koalitionsvertrag  mit  der  Union  geworben  und  diese  Zustimmung auch erhalten.

Kaum zwei Monate später müssen wir erleben, dass der für Staatsangehörigkeitsfragen  zuständige  Bundesinnenminister  Thomas  de  Maizière  (CDU)  einen  Gesetzentwurf  vorlegt,  der  vorsieht,  die  Hinnahme  der doppelten  Staatsbürgerschaft  an  Kriterien wie einen Schulabschluss in Deutschland oder die melderechtliche Aufenthaltsdauer  zu  binden.  Er  schreibt  damit  die  Ungleichbehandlung  der  ?Kinder  Deutschlands? weiter fest und verschärft sie in Teilen sogar.

 

Statt  Kindern  ausländischer  Eltern,  die  die  Voraussetzungen  des  §  4  Abs.  3  StAG erfüllen,  die  deutsche  Staatsangehörigkeit  endlich dauerhaft  und  ohne  weitere  Bedingungen  zuzugestehen,  bleiben  Rechtsunsicherheit  und  Ungleichbehandlung  bestehen. Die Betroffenen sollen auch in Zukunft ein aufwendiges Verfahren durchlaufen  müssen,  das  sie  am  Ende  mit  dem  Verlust  bzw.  dem  Entzug  der  deutschen Staatsangehörigkeit bedroht.

Die Optionsregelung gefährdet nicht nur individuelle Integrationsprozesse, sie widerspricht  dem  Selbstverständnis  und  der  Realität  einer  modernen  Einwanderungsgesellschaft, in der bereits bei fast jeder zweiten Einbürgerung eine mehrfache Staatsangehörigkeit die Regel ist.

Sehr geehrter Herr Gabriel, wir vertrauen fest darauf, dass die SPD zu ihrem vor der Bundestagswahl  und nach den  Koalitionsverhandlungen  gegebenen Wort  steht. Wir bitten  und  fordern  Sie  deshalb  dazu  auf,  die  Abschaffung  des  Optionszwangs  im Staatsangehörigkeitsrecht   gegenüber   ihren   Koalitionspartnern   einzufordern   und durchzusetzen im Interesse  der  jährlich bis zu  40.000  Betroffenen.  Die  Optionspflicht  und  der  damit  drohende Verlust der deutschen  Staatsangehörigkeit  betrifft keine Randgruppe!

Mit freundlichen Grüßen

Unterzeichner/innen:

Annelie Buntenbach, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes

Dr. Wolfgang Gern, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Hessen

Edeltraud Glänzer, stellvertretende Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie ·

Roland Graßhoff, Geschäftsführer des Initiativauscshusses für Migrationspoli-tik in Rheinland-Pfalz

Enis Gülegen, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen – Landesausländerbeirat

Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangeli-schen Kirche in Deutschland

Kenan Kolat, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland

Andreas Lipsch, Vorsitzender von PRO ASYL

Maria Loheide, Diakonie Deutschland ? Evangelischer Bundesverband, Vor-stand Sozialpolitik

Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes

Dr. Jürgen Micksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates in Deutschland

Selim Özen, Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Beiräte für Migration und Integration in Rheinland-Pfalz

Giovanni Pollice, Vorsitzender des Vereins “Mach meinen Kumpel nicht an!?

Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes

Hiltrud Stöcker-Zafari, Bundesgeschäftsführerin dse Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften, iaf