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ATÖF: Mehrsprachigkeit fördern, aber Herkunftssprachen verbieten?!

Donnerstag, der 1. Dezember 2016aus den Mitgliedsorganisationen, Bildung und Kultur, Themen

Der Bund der Türkischen Lehrervereine in Deutschland (ATÖF ) lehnt die in der Öffentlichkeit erhobene Forderung nach einer Einführung der Deutschpflicht in den Pausen und außerunterrichtlichen  Veranstaltungen, wie sie an der Herbert Hoover-Realschule in Berlin eingeführt worden ist, ab! Wir sind der Meinung, dies widerspreche den internationalen Konventionen und wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Bedeutung der durchgängigen Förderung aller Sprachen der Kinder für deren kognitive und emotionale Entwicklung.  Die Deutschpflicht  steht den vereinbarten Zielen,  die in der gemeinsamen Erklärung der KMK im Jahre 2010 festgelegt wurden und eine Förderung der Mehrsprachigkeit in Deutschland bewirken sollten, im Weg.  Ferner führt die Deutschpflicht  auf den Schulhöfen nicht nur zur Stigmatisierung der Migrantensprachen, sondern ist  auch nicht mit den nationalen Beschlüssen zu vereinbaren,  die die Bundesregierung aber auch die Bundesländer unterzeichnet haben. Das Recht auf Muttersprache ist ein Grundrecht, das im Artikel 3 verankert ist: „Niemand darf wegen (…) seiner Sprache (…) benachteiligt  oder bevorzugt werden.“

Wenn in einer Bildungseinrichtung das Sprechen einer anderen Sprache als der Deutschen innerhalb der Pause als „Respektlosigkeit“ gewertet wird, zeugt dies von einer diskriminierenden Haltung, da die Herkunftssprachen  der Migranten  abgewertet werden.  Die Bedeutung des Deutschen als Schlüssel zum Bildungserfolg ist  allen Eltern bewusst und wird nicht angezweifelt!  Bei Kindern und Jugendlichen, die in zwei Sprachen aufwachsen und leben, ist es unvermeidlich, dass beide Sprachen zugleich ihre Sprachentwicklung und die Sprachproduktion beeinflussen. Der Gebrauch beider Sprachen in unterschiedlichen Domänen, gehört zu ihrer lebensweltlichen Zweisprachigkeit.  Dies kann und darf durch eine schulische Anordnung nicht unterbunden werden.

Als Einwanderungsland sollte sich die Bundesrepublik Deutschland endlich den Herausforderung stellen und die Herkunftssprachen der Migranten ohne Wen und Aber als bildungssprachliches Gut fördern. Die Förderung der Zwei- und Mehrsprachigkeit ist ein wesentlicher Teil der sprachlichen Bildung. Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit und „Deutsch lernen“ sind kein Widerspruch, sondern eine Zielsetzung in einer mehrsprachigen Einwanderungsgesellschaft. Der Bund der Türkischen Lehrervereine in Deutschland wehrt sich entschieden gegen die Deutschpflicht auf den Schulhöfen und fordert die Bildungsministerien dazu auf, dafür Sorge zu tragen, dass das Teilhabe- und Integrationsgesetz, indem die Wertschätzung der Mehrsprachigkeit gesetzlich verankert ist, umgesetzt wird

Bilge Yörenç  Stellvertretende Bundesvorsitzende des ATÖF

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