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Laudatio auf Bundespräsident a.D. Christian Wulff

Dienstag, der 13. Mai 20142014, Pressemitteilungen

Sehr geehrter Herr Bundespräsident,

hochverehrtes Protokoll,

werte Gäste,

liebe Freundinnen und Freunde,

ich freue mich, dass wir heute einen besonderen Menschen ehren. Einen Menschen, der sich engagiert und vorbildlich für das gleichberechtigte Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen kulturellen und religiösen Kontexten eingesetzt hat.

Sehr geehrter Herr Wulff,

mit Ihrem Engagement haben Sie bedeutende Maßstäbe in der Integrationsdebatte gesetzt und dazu aufgerufen, die Vielfalt in unserem Land zu schätzen ….Und damit  waren Sie nicht nur Ihrer eigenen Partei voraus.

Während andere Politiker_innen auf Stimmfang von Menschen mit dem sogenannten „Migrationshintergrund“ gingen, haben Sie 2010 Aygül Özkan als erste türkeistämmige Ministerin Deutschlands in Ihr Kabinett  in Niedersachsen geholt und damit ein eindeutiges Zeichen gesetzt. Sie haben als Ministerpräsident des Landes Niedersachsen ein weiteres wichtiges Zeichen gesetzt. Sie waren auch derjenige, der mit Honey Deihimi eine Frau mit Migrationshintergrund zur Landesintegrations-beauftragten gemacht haben: als Erste bundesweit.

Das Amt als Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen hatten Sie von 2003 bis 2010 bis zur Ihrer Wahl zum zehnten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland inne.

Am 30.Juni 2010 wurden Sie mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident unseres Landes.

Dann kam Ihre Rede am 20. Jahrestag der deutschen Vereinigung im Oktober 2010. Ihre zunächst berühmte, später berüchtigte Rede beinhaltete folgenden Absatz:

Ich zitiere: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“…

„Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland“… Dieser Satz erregte viel Aufsehen. Für diesen Satz wurden Sie gelobt, aber Sie ernteten auch viel Kritik.

Für uns war dies ein Zeichen der Anerkennung, zumal Sie ihn als höchsten Repräsentanten des Staates im Rahmen Ihrer feierlichen Rede zur Wiedervereinigung Deutschlands gesagt haben und dies auch noch mitten in einer von Sarrazin und seines Gleichgesinnten ausgelösten islamfeindlichen und rassistischen Debatte.

Es war und ist ein Zeichen der Anerkennung und Akzeptanz, nicht nur für Muslime, sondern für alle Menschen dieses Landes, die für viele sei es aufgrund ihrer Kultur, ihrer Religion oder ihres Aussehens nicht „deutsch genug“ sind.

Er beinhaltete zwei Botschaften: eine anerkennende Botschaft an die Menschen, die sich aufgrund Ihrer kulturellen und religiösen Zugehörigkeit ausgegrenzt fühlen … und eine wegweisende Botschaft an die Menschen, die Andere aufgrund ihrer kulturellen und religiösen Zugehörigkeit immer noch nicht als Teil unserer Gesellschaft akzeptieren möchten.

Doch trotz Kritik ließen Sie sich nicht beirren und von Ihrem Weg abbringen.

Ihre Entschlossenheit ist ein Synonym für Mut und Empathie, aber vor allem ein Synonym für gesamtgesellschaftliche Verantwortung.

Auch im Umgang mit den NSU Opfern und deren Familien haben Sie in ein wichtiges und richtiges Zeichen gesetzt. Sie haben kurze Zeit nach der unfreiwilligen Selbstenttarnung der NSU die Angehörigen der Opfer, die jahrelang durch die einseitigen Ermittlungen kriminalisiert und zusätzlich belastet wurden, zu einem vertraulichen Gespräch im Schloss Bellevue empfangen, was als sehr wohltuend empfunden wurde. Diese positive persönliche Erfahrung der Angehörigen wird immer noch zum Ausdruck gebracht. „Voller Bewunderung erinnern wir uns an seine Gastfreundschaft. Ich danke ihm“, sagt Ismail Yozgat, dessen Sohn 2006 in Kassel ermordet wurde.

Die zentrale Gedenkfeier für NSU Opfer im Februar 2012 haben Sie auf Wunsch der Angehörigen der Opfer initiiert.

Denn Ihnen war wichtig, sehr geehrter Herr Wulff, dass klare und eindeutige Signale der gesamten Gesellschaft gegen Rassismus gesetzt werden und die NSU Opfer sowie ihre Angehörigen eine große Solidarität und Anteilnahme der ganzen Nation spüren.

Während Ihrer ganzen politischen Karriere haben Sie Migration, Partizipation, Teilhabe immer zum Thema gemacht. Viele, die Sie in Niedersachsen und Berlin begleitet haben, sagen, dass Ihnen die Themen Integration und Partizipation sehr am Herzen lagen.

Sie setzten sich für islamische Theologie an Universitäten ein und pflegten zu Migranten und Migrantenorganisationen stets beste Kontakte.

Die große Sympathie für Ihre Person verbindet alle Migrantengruppen – unabhängig von deren politischen Einstellung.

Sehr geehrter Herr Wulff,

wie sagt der türkische Volksmund so treffend: „doğruyu söyleyeni dokuz köyden kovarlar“, …wer die Wahrheit sagt, wird aus neun Dörfern vertrieben….

Aber zum Glück gibt es noch genügend andere Dörfer….

Es ist für uns eine Ehre und Freude, Sie als „unser Bundespräsident d.H.“,  …. also als unser Bundespräsident der Herzen zu ehren.

Wir danken Ihnen aus tiefstem Herzen!