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Bundestagsinnenausschuss: TGD-Statement zum Optionsmodell

Anhörung im Bundestagsinnenausschus.23.6.2014 zum vorgelegten Optionsmodell.

Statement von Safter Çınar (Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland):

Sehr geehrter Herr Vorsitzender,

Sehr geehrte Abgeordnete,

auch wenn es manchen Zweifel daran gibt, ob das Optionsmodell und die vorgesehenen Neuregelung EU- und Verfassungsrecht entsprechen,

gehe ich davon aus, dass wir uns zumindest über eins einig sind: Es geht in Fragen der Einbürgerung und des Optionsmodells um politische, nicht um juristische Fragen.

Und hier geht es meines Erachtens in erster Linie nicht um die Einbürgerung und das Optionsmodell, sondern darum,

welche Rolle die  – deutsche – Staatsangehörigkeit, sei es durch Einbürgerung oder uis soli, im Prozess der sogenannten Integration spielt:

–       Geht es um die „Krönung dera Integration“ (Günther Beckstein) oder

–       Um ein Instrument der Vertıefung der Integration.

Staaten, die die Realität der Einwanderung längst akzeptiert haben, sehen die Staatsbürgerschaft

– unabhängig davon, ob sie die Mehrstaatigkeit akzeptieren oder nicht –

als Motor der Integration; als  Zeichen der Akzeptanz an die Eingewanderten und als Motivationsfaktor, sich mehr auf die neue Gesellschaft einzulassen und natürlich auch als Instrument der – zumindest rechtlichen – Gleichstellung.

Werden Menschen nach jahrelangem, um nicht zu sagen jahrzehntelangem Aufenthalt von der Staatsbürgerschaft dadurch ferngehalten, dass die Bedingungen und Voraussetzungen immer mehr verschärft werden, kommt das bei den Betroffenen negativ an.

Insbesondere die türkeistämmmigen Bewohner der Bundesrepublik Deutschland sehen in der Ablehnung der Mehrstaatigkeit die Ablehnung ihrer ethnischen Herkunft.

Dies umso mehr, wenn nach 22 Jahren Mehrstaatigkeit eine der Staatsangehörigkeiten abgegeben werden muss.

Die vorgesehene Neuregelung des Optionsmodells sollte ein Schritt nach vorne sein. Dadurch, dass aber, dass die Möglichkeit der Mehrstatigkeit wieder an Bedingungen geknüpft ist, kommt bei den Betroffenen wieder die Botschaft an: auch wenn ihr hier geboren seid und 22 Jahre zwei Staatsbürgerschaften hattet, ohne das dies offensichtlich unserem Land geschadet hat, sehen wir nicht euch alle gleich.

Wir sehen euch auch deshalb nicht gleich, weil ihr beziehungsweise eure Eltern aus nicht-europäischen Ländern stammen.

Und: wir akzeptieren die Mehrstaatigkeit auch dann nicht an, wenn der Herkunftsstaat eurer Eltern, hier: die Türkei, Mehrstaatigkeit akzeptiert.

Das Argument, mit dieser Regelung würde der größte Teil der Options-Jugendlichen ihre Mehrstaatigkeit behalten können, mag statistisch zutreffen, aber emotional wird es nicht ankommen.

Jährlich werden fast die Hälfte aller Einbürgerungen unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit vorgenommen. Addieren wir zu diesen – sich jährlich ähnlich entwickelnden – Zahlen die Kinder aus bi-nationalen Ehen, die ius sanguinis lebenslang Mehrstaatler*innen bleiben, ist ersichtlich, dass wir in unserem Land, in der EU, eigentlich auf dem ganzen Planeten Erde immer mehr Mehrstaatler*innen haben werden.

Deshalb ist diese Angst vor Mehrstaatigkeit unerklärlich.

Ich sehe auch kein Gegenargument, zumindest kein zeitgemäßes, außer „man kann nicht zwei Herren dienen“ oder „moderner“ ausgedrückt „man kann nicht zwei Staaten gegenüber loyal sein“.

Herr David McAllister (ehemaliger CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen), war es offenbar.

Keine Zweifel gab es auch gegenüber dem Miterfinder des Optionsmodells, den damaligen Rheinland-Pfälzischen Justizminister, Herbert Mertin (FDP), obwohl seine zweite Staatsangehörigkeit nicht mal aus der EU stammt, sondern Chile.

Prof. Dr. Anderas Zimmer von der Universität Potsdam, den wir um ein Gutachten zur vorgesehenen Regelung gebeten hatten, meldet erhebliche Zweifel an, ob dieser Entwurf dem EU-Recht und unseren Grundgesetz  entspricht.

Hierzu ganz kurz (das Gutachten unter: https://www.tgd.de/wp-content/uploads/2014/06/Optionsmodell-Reform.Zimmermann.pdf):

–      Staatsangehörigkeitsrecht ist grundsätzlich nationales Recht, aber: der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führt zum Verlust des EU-Rechts auf Freizügigkeit.  Zehen die Eltern eines Optionskindes, die beide die bspw. Iranische Staatsbürgerschaft haben, nach Paris, verlieren alle dann das Recht, sich weiter in Frankreich aufzuhalten.

Ein Optionsjugendlicher, der in der Türkei lebt, kann nicht angeschrieben werden. Dies führt dann dazu, dass ihm gegenüber der Wegfall der deutschen Staatsangehörigkeit in einen verbotenen Entzug umschlägt.

–       Der Optionspflicht unterliegen in der Bundesrepublik geborene Kinder, wenn beide Elternteile keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Hingegen sind Kinder, welche zumindest über ein deutsches Elternteil verfügen und damit die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung (jus sanguinis) erwerben, nicht verpflichtet, für eine Staatsangehörigkeit zu optieren. Die Begründung von Verlusttatbeständen muss aber grundsätzlich alle Gruppen von deutschen Staatsangehörigen gleichermaßen treffen.

–       Die nach dem Entwurf Optionspflichtigen werden gegenüber einer Reihe von Personengruppen ungleich behandelt. So unterliegen Kinder gemischt-nationaler Eltern unabhängig von ihrem Geburtsort, dem Ort des Aufwachsens und ungeachtet einer mehrfachen Staatsangehörigkeit nicht der Optionsobliegenheit. Gleiches gilt hinsichtlich von jus soli-Deutschen, die neben der deutschen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaats oder diejenige der Schweiz besitzen. In diesen und weiteren vergleichbaren Konstellationen nimmt der Gesetzgeber die Mehrstaatigkeit auf Dauer hin.

Rechtfertigen lässt sich die Ungleichbehandlung nicht.

Abschließend darf ich Bundespräsident Gauck zitieren, der auf der Einbürgerungsfeier anlässlich 65 Jahre Grundgesetz am 22. Mai d.J. im Schloss Bellevue hat folgendes gesagt hat:

„Die doppelte Staatsbürgerschaft ist Ausdruck der Lebenswirklichkeit einer wachsenden Zahl von Menschen. Es ist gut, dass sie nun nicht mehr als notwendiges Übel oder als Privileg bestimmter Gruppen betrachtet wird. Unser Land lernt gerade, dass Menschen sich mit verschiedenen Ländern verbunden und trotzdem in diesem, unserem Land zu Hause fühlen können. Es lernt, dass eine Gesellschaft attraktiver wird, wenn sie vielschichtige Identitäten akzeptiert und niemanden zu einem lebensfremden Purismus zwingt. Und es lernt, jene nicht auf Abstand zu halten, die schon längst zu uns gehören.“

Schaffen Sie das Optionsmodell gänzlich ab und akzeptierten Sie die Mehrstaatigkeit als Regelfall, so wie es die Fraktionen die LINKE und Bündnis 90/Die Grünen fordern und zumindest eine Regierungspartei vor den Wahl zugesagt hatte.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.