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“Die bisherigen Konsequenzen aus dem NSU-Komplex: Bilanz und Ausblick”

Der Bundesvorsitzende der TGD, Safter Çınar hat auf Einladung der Bundestagsgfraktion Die Linke an einem öffentlichen Fachgespräch – “Die bisherigen Konsequenzen aus dem NSU-Komplex: Bilanz und Ausblick” – teilgenommen.

Seine Statements hierzu können sie im Folgenden nachlesen:

Wie steht es nach unserer Außenwahrnehmung mit der Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Bundestagsausschusses aus?

Eine der Hauptempfehlungen des Bundestag-NSU-Ausschusses, den der Bundestag am 20.02.2014 bekräftigt hat, ist:

In allen Fällen von Gewaltkriminalität, die wegen der Person des Opfers einen rassistisch oder anderweitig politisch motivierten Hintergrund haben könnten, muss dieser eingehend geprüft und diese Prüfung an geeigneter Stelle nachvollziehbar dokumentiert werden, wenn sich nicht aus Zeugenaussagen, Tatortspuren und ersten Ermittlungen ein hinreichend konkreter Tatverdacht in eine andere Richtung ergibt. Ein vom Opfer oder Zeugen angegebenes Motiv für die Tat muss von der Polizei beziehungsweise der Staatsanwaltschaft verpflichtend aufgenommen und angemessen berücksichtigt werden. Es sollte beispielsweise auch immer geprüft werden, ob es sinnvoll ist, den polizeilichen Staatsschutz zu beteiligen und Informationen bei Verfassungsschutzbehörden anzufragen.“

 

Beispiel:

In Berlin wurde am 11.8. d.J. ein Brandanschlag auf die Mevlana-Moschee in Kreuzberg verübt. Am nächsten Tag wurde verkündet, dies sei kein Anschlag gewesen. Auch auf Druck der Öffentlichkeit wurde erst am 27.8. geäußert, dass es ein doch Anschlag gewesen ist und in alle Richtungen ermittelt werde. Erst dann äußerten sich Innensenator Henkel (CDU) und Integrationssenatorin Kolat (SPD).

Anders nach dem Anschlag auf eine Koptische-Kirche in Berlin am 4.10: Sofort meldeten sich der Regierende Bürgermeister Wowereit und der Innensenator zu Wort.

Wird bei solchen Anschlägen mit zweierlei Maß gemessen?

Interkulturalität der Verwaltung:

Der Berliner Polizeipräsident Kandt vor dem Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses am 14.4. 2014: In unterschiedlichen Kulturen gibt es einen unterschiedlichen Umgang mit Gewalt. Asiaten neigen weniger zur Gewalt, Süd- und Osteuropäer mehr. (RBB-Infothek – Abendschau vom 18.4.2013). Übrigens: Herr Kandt befürwortet auch das sog. Racial-Profiling.

Wir sprechen vom „institutionellem Rassismus“. Nicht die agierenden Personen sind subjektiv rassistisch, sondern (objektiv) die Denk- und Handlungsweisen.

3. Operative Fallanalyse“ des LKA Baden-Württemberg: „Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.“ (zitiert nach: Bundestag-NSU-Untersuchungsausschuss. Endbericht. S. 878)“

Der Fall Sarrazin:

Der Landesverband der TGD, der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) hat sich, nach dem die Berliner Staatsanwaltschaft alle Strafanzeigen zurückgewiesen hatte, an den UN-Anti-Rassismus-Ausschusses (CERD)gewandt. Dieser entschied am 4.4.2013 und führte unter anderem aus:

– Der Ausschuss urteilt, dass Herrn Sarrazins Äußerungen eine Verbreitung von Auffassungen, die auf einem Gefühl rassischer Überlegenheit oder Rassenhass beruhen, darstellen und Elemente der Aufstachelung zur Rassendiskriminierung entsprechend der Konvention enthalten.

– Die fehlende strafrechtliche Verfolgung von Herrn Sarrazin entspricht einer Verletzung der Konvention, da die nationale Rechtsprechung zu eng ausgelegt wurde.

– Die Bundesrepublik Deutschland hat nicht alle CERD-Bestimmungen in innerstaatliches Recht umgesetzt (§§ 130 Volksverhetzung & 185 Beleidigung StGB werden nicht entsprechend der Konvention angewandt)

– Die staatlichen/judikativen Instanzen setzen die Gesetze nicht gemäß den CERD-Bestimmungen um.

Empfehlungen des CERD

– Der Vertragsstaat ist angehalten, die Entscheidung des Ausschusses breit bekannt zu geben, auch unter Staatsanwälten und Justizorganen.

– Der Ausschuss empfiehlt, dass der Vertragsstaat im Sinne seiner Verpflichtungen seine Richtlinien und Verfahren im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Verfolgung in Fällen angeblicher Rassendiskriminierung überprüft, die in der    Verbreitung von Auffassungen besteht, die auf einem Gefühl der rassischen Überlegenheit oder Rassenhass beruhen sowie in der darauf basierenden Aufstachelung zur Diskriminierung.

– Die Bundesrepublik soll ihre Richter und Staatsanwälte im Sinne der CERD-Bestimmungen schulen.

Als Ergebnis des Koalitionsvertrages (CDU/CSU-SPD) ist eine Änderung von Bundesjustizminister eine Änderung des Staatsgesetzbuches vorgelegt worden:

StGB-Änderung Hasskriminalität: Fremdenfeindliche/Rassistische Motive

„§ 46 StGB Grundsätze der Strafzumessung

(….)

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende…“

(….)

Diese Regelung ist in mehrfacher Hinsicht unzulänglich.

– Hier werden wieder problematische, verklärende Begrifflichkeiten wie „Rassismus“ und „Fremdenfeindlichkeit“ benutzt. Richtiger wäre es, stattdessen die Tatbestände ggf. durch „ethnische Herkunft, Geschlecht, Glauben, sexuelle Orientierung, Behinderung„ zu ergänzen.

– Es ist wichtig, dass die Opferperspektive Eingang in das Gesetz findet.

– Außerdem muss der § 130 StGB (Volksverhetzung) gemäß den CERD-Empfehlungen modifiziert werden.

– Nicht zuletzt: Wie auch CERD ausführt, muss eine entsprechende Aufklärung/Schulung von Staatsanwalt*innen und Richter*innen stattfinden.

Wie nötig der letzte Punkt ist, zeigt ein Berliner Vorfall:

Aus einem Schreiben der Berliner Staatsanwaltschaft an einen Rechtsanwalt, der sich auch auf den Sarrazin-CERD-Beschluss beruft:

– Hier findet nur bundesdeutsches Recht Anwendung

– Die Ausführungen einer UN-Unterorganisation sind nicht geeignet, geltendes Recht zu verdrängen

– Die Mehrzahl der UN-Mitglieder gewährleisten weder Demokratie noch Meinungsfreiheit in ausreichendem Maße

– Mitglieder des UN-Menschenrechtsrates wie Katar, Libyen, Saudi-Arabien, Bahrain, China….

Die vollständige Anhörung sowie die einzelnen Statements können Sie per Video nachsehen und hören: