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Förderung von Mutter- bzw. Herkunftssprachen statt Sprachverbote

Donnerstag, der 23. Juli 20202020, Allgemein, Presse, Pressemitteilungen, Startseite

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) und ihre Fachverbände, die Föderation Türkischer Elternvereine in Deutschland (FÖTED) und der Bund der türkischen Lehrervereine in Deutschland (ATÖF), zeigen sich empört über den Vorfall an einer Grundschule im baden-württembergischen Blumberg, wo offenbar einer 9-jährigen Schülerin eine Strafarbeit auferlegt worden war, weil sie mit einer Freundin während der Pause Türkisch gesprochen hatte.

Der Bundesvorsitzende der TGD, Gökay Sofuoğlu, erklärt dazu:

„Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass nach so langer Zeit endlich Fortschritte erzielt wurden im Kontext Mehrsprachigkeit an Schulen, in der Würdigung und der Förderung von Herkunftssprachen. Dieser Vorfall zeigt leider ein völlig anderes Bild – und ist sowohl auf gesamt-gesellschaftspolitischer wie auch auf persönlicher pädagogischer und psychologischer Ebene ein Desaster.“

Für die Verbände steht fest, dass die Gesellschaft mehrsprachig und religiös wie kulturell heterogen geprägt ist. Die Schüler*innenschaft ist ein Abbild dessen. Kinder haben das Recht, ihre Muttersprache(n) zu sprechen. Dies muss für Französisch und Englisch genauso gelten wie für Türkisch, Arabisch oder Polnisch. Die aktive Nutzung und die Förderung der Mutter- bzw. Herkunftssprachen hilft den Kindern auf vielen Ebenen – für ihre persönliche Entwicklung genauso wie für die deutsche Sprache und ist ein wissenschaftliches Faktum.

Der Bundesvorsitzende der TGD, Atila Karabörklü, führt aus:

“Anstelle von Sprachverboten sollte vielmehr die Anerkennung, die Wertschätzung und die institutionelle Förderung der Mehrsprachigkeit und damit auch der Herkunftssprachen im Vordergrund stehen. Die Kinder, die zu Hause neben Deutsch auch weitere Sprache(n) sprechen, sind Mitglieder der Schulgemeinschaften, inklusive ihrer (multiplen) kulturellen Identität(en).”

Das Beispiel Blumberg zeigt, dass trotz etlicher Erlasse (bspw. KMK-Beschluss zu interkultureller Bildung und Erziehung von 1996) und Forschungsergebnisse (exemplarisch sei hier auf die Ergebnisse im Rahmen der KoMBi-Forschungen zu sprachlicher Bildung und Mehrsprachigkeit verwiesen) weiterhin eine diskriminierende Haltung gegenüber bestimmten Sprachen, insbesondere auch Türkisch, existiert.

„Dies gefährdet den sozialen Frieden unserer Gesellschaft, torpediert das Zugehörigkeitsgefühl und grenzt einen bemerkenswerten Teil der Kinder aus.“, so Dr. Ali Sak, Bundesvorsitzender von FÖTED.

Bilge Yörenç, Bundesvorsitzende von ATÖF, ergänzt:

„Dass wir diese Argumente einmal mehr anführen müssen, wo wir sie längst als selbstverständlich und gelebte Realität erhofft hatten, stimmt uns zutiefst nachdenklich über den Zustand von Chancengleichheit, Respekt vor Vielfalt und Gleichbehandlung im deutschen Bildungswesen.“

Die drei Verbände haben gemeinsam Briefe an die Bildungsministerinnen in Bund und Land sowie an die Kultusministerkonferenz und die Schulleitung der Grundschule geschickt. Darin fordern die Verbände eine rechtliche Begründung der Schule bezüglich des Vorgehens der Lehrerin, eine offizielle Entschuldigung bei der Schülerin und ihrer Familie und eine schulinterne Evaluation und Diskussion über den Vorfall.

 

Die Pressemitteilung als pdf.