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Pressemitteilung vom 09. September 2021

TGD befragt alle Direktkandidat*innen zu Themen der Einwanderungsgesellschaft – Positiver Trend und krasser Ausfall

Die Wahlberechtigten mit Migrationsgeschichte können die kommende Wahl entscheiden. Schafft es eine*r der Kandidat*innen von SPD, CDU oder den Grünen diese 12 % der Wahlberechtigten für sich einzunehmen, wird er oder sie Bundeskanzler*in der Bundesrepublik Deutschland. Die Türkische Gemeinde in Deutschland wollte daher herausfinden, wie die Parteien, aber auch die einzelnen Direktkandidat*innen, zu den Themen stehen, die die Menschen mit Migrationsgeschichte besonders bewegen.

Wie bereits 2017 befragte die Türkische Gemeinde in Deutschland e.V. (TGD) hierfür rund 1.600 Direktkandidatinnen und -kandidaten der 299 Wahlkreise der Parteien CDU/CSU, SPD, Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, AfD und FDP zu ihren Positionen zu migrations- und integrationspolitischen Themen. Die Parteizentralen sind selbstverständlich ebenfalls befragt worden. Die Ergebnisse der Wahlprüfsteine zeigen: auf der einen Seite tragen der konstante Druck und die kritische Öffentlichkeitsarbeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der TGD und der Bundeskonferenz der Migrant*innenorganisationen (BKMO) dazu bei, dass Parteien Themen der Einwanderungsgesellschaft immer stärker zu ihren Themen machen und die Forderungen der Zivilgesellschaft an Zustimmung gewinnen. Auf der anderen Seite gilt diese Entwicklung leider nicht für alle Parteien und nicht für alle Themen.

Heute präsentiert die TGD die Ergebnisse ihrer Wahlprüfsteine 2021, die für die Öffentlichkeit in einer Onlinedatenbank verfügbar gemacht werden, als Orientierungshilfe für Wähler*innen. Über 700 Direktkandidat*innen haben geantwortet. Die Beteiligung nach Parteien sieht wie folgt aus: Bündnis 90/Die Grünen (209), Die Linke (187), SPD (143), FDP (129), AfD (24) und CDU/CSU (21).

So bewertet der Bundesvorsitzende Gökay Sofuoğlu die Beteiligung der Parteien: „Sehen Sie, die TGD ist parteipolitisch neutral. Ihre Mitglieder sind in allen demokratischen Parteien aktiv. Unsere Zusammenfassung ist datenbasiert und wir geben keine Wahlempfehlung ab. Aber den mageren Rücklauf aus den Reihen der CDU/CSU können wir nicht unkommentiert lassen. Dieses Desinteresse an den Wähler*innen mit Migrationsgeschichte und den Themen der Einwanderungsgesellschaft ist erschütternd und steht auch im krassen Gegensatz zu Einzelpersonen wie Armin Laschet, Annette Widmann-Mauz oder Serap Güler, die wir seit vielen Jahren als interessiert und zugewandt erleben.“

Zentrale Ergebnisse:

Eine Empfehlung, die die TGD bereits 2013 ausgesprochen hat, ist die Schaffung eines Bundesministeriums, das die Bereiche der sogenannten Integrationspolitik zusammenführt mit der Antidiskriminierungspolitik und der Bekämpfung von Rassismus (auch in Institutionen), um die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft ganzheitlich und zukunftsgewandt anzugehen. Es gibt eine klare Zustimmung bei den Grünen und den Linken, die es 2017 so noch nicht gegeben hat. Die Idee ist sogar Teil des grünen Wahlprogramms. SPD und FDP sind in dieser Frage uneinig bzw. unentschlossen. CDU/CSU lehnen die Idee klar ab, während einzelne Kandidat*innen sich auch befürwortend äußern und bei der AFD zeigt sich ein ähnliches Bild.

Noch deutlicher ist ein positiver Trend in Bezug auf das Bewusstsein, dass es Maßnahmen gegen Diskriminierung braucht, um für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen. So ist die Idee der Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen im Kontext Schule für Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen deutlich positiver votiert worden als noch 2017. „Parteiübergreifend sehen wir hier eine überwältigende Zustimmung, vor allem, wenn wir an die Ergebnisse von 2017 denken. Damals war die Resonanz mit 9% bei CDU/CSU, 18% FDP und 40% SPD ziemlich mies. Da hat sich wirklich viel getan. Wir werten dies als deutliches Zeichen, dass das Problembewusstsein bezüglich der institutionell bedingten Diskriminierungen parteiübergreifend gestiegen ist, ebenso wie die Bereitschaft etwas dagegen zu unternehmen“, sagt Gökay Sofuoğlu.

„Unsere Ergebnisse zeigen insgesamt einen positiven Trend zur Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft. Deshalb irritieren uns die Ergebnisse zur Quote für Menschen mit Migrationsgeschichte im öffentlichen Dienst doch sehr“, so Atila Karabörklü, Bundesvorsitzender der TGD. Während die Zustimmung bei den Linken seit 2017 stark zugenommen hat, ist der Trend bei den anderen Parteien stark negativ. 2017 lag die Zustimmung der SPD noch bei 64%, bei den Grünen sogar bei 74%. 2021 liegt sie nur noch bei knapp über 30%. CSU/CDU, FDP und AfD lehnen eine Quote auch 2021 noch stark ab. „Die Ergebnisse offenbaren eine generelle Problematik: Einerseits verstehen viele Politiker*innen, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und Repräsentanz wichtig wäre für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie an sich. Andererseits sind viele Parteien und Kandidat*innen zurückhaltend, wenn es um wirksame Maßnahmen geht. Das wird auch bei den Parteiantworten deutlich. Mehr Diversität wird befürwortet, aber Maßnahmen, die für mehr Gerechtigkeit und die bessere Einhaltung des Leistungsversprechens sorgen würden, werden abgelehnt. Es ist das gleiche Phänomen wie in der Genderfrage: Den Kuchen gerechter verteilen – unbedingt! Meinen Kuchen? Na das muss doch wohl nicht sein!“, beschreibt es Atila Karabörklü. „Gegen die Quote wird gerne das Argument der ungerechten Bevorzugung ins Feld geführt. Über die jahrelange ungerechte Bevorzugung von Männern, von Westdeutschen oder eben von Deutschen ohne Migrationsgeschichte hat sich keiner beschwert.“ Ergänzt Gökay Sofuoğlu.

Alle Ergebnisse der Fragen an die Direktkandidat*innen und auch die schriftlichen Antworten der Parteizentralen finden Sie unter folgendem Link zusammengestellt. Außerdem können Sie dort in einer Datenbank alle Ergebnisse der Direktkandidat*innen gefiltert, also z.B. nach Partei oder Wahlbezirk, abrufen.


Pressekontakt:

Kaan Bağcı
Türkische Gemeinde in Deutschland e.V.
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