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PM: 60 Jahre Almanya – „Gastarbeiter:innen“ und die jüngeren Generationen müssen endlich Teil der deutschen Geschichte werden!

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Pressemitteilung vom 06. Oktober 2021

60 Jahre Almanya – „Gastarbeiter:innen“ und die jüngeren Generationen müssen endlich Teil der deutschen Geschichte werden!

60 Jahre Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und der Türkei – die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) hat gestern dieses geschichtsträchtige Jubiläum gemeinsam mit ca. 130 geladenen Gästen im Haus der Kulturen der Welt gefeiert. Mit dabei waren der Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier, der eine Festrede hielt, sowie seine Exzellenz der Botschafter der Türkei, Ahmet Başar Şen.

Die TGD war hoch erfreut darüber, dass Bundespräsident Steinmeier solch warme und ermutigende Worte für die 60-jährige Geschichte der Migration aus der Türkei gefunden hat. „Die Geschichten der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter verdienen einen angemessenen Raum in unseren Schulbüchern und in unserer Erinnerungskultur; eine Randnotiz wird ihrem Beitrag für unser Land nicht gerecht. Wenn wir ihre Geschichten erzählen, als integralen Teil der Geschichte dieser Republik, dieses Landes, erst dann verstehen wir unser aller Geschichte“, so Bundespräsident Steinmeier. Deutschland sei außerdem ein Land mit Migrationshintergrund und es sei höchste Zeit, dass wir uns dazu bekennen würden. Am Ende seiner Festrede bestärkte Bundespräsident Steinmeier Jugendliche, junge Frauen und Männer in Deutschland, sich den Platz zu nehmen, der ihnen zusteht. „Nehmen Sie sich den Platz in der Mitte, und füllen Sie ihn aus! Gestalten Sie diese Gesellschaft mit, denn es ist Ihre Gesellschaft“

Der Festakt fand in Kooperation mit mehreren Projekten und Partnern statt: Das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD) zeigte eine Wanderausstellung „Viel erlebt, viel geschafft … viel zu tun! – Geschichten aus der Migrationsgesellschaft“. Die ausgestellten Objekte, Dokumente und Fotografien erinnern an die vielen Menschen, die zwischen 1955 und 1968 als Arbeitsmigrant:innen in die BRD und DDR kamen. Musiker:innen aller Generationen und unterschiedlicher Genres traten im Ensemble „Deutschlandlieder/Almanya Türküleri“ mit Liedern auf, die sie während ihres Lebens in Deutschland herausgebracht haben und stellen damit die deutsch-türkische Musikgeschichte in den Fokus. Darüber hinaus stellte Özcan Mutlu sein in Zusammenarbeit mit Correctiv veröffentlichtes Buch „60 Jahre – Wie Deutschland meine Heimat wurde“ vor und zeigte Portraits der Menschen, die im Buch zu Wort kommen.

„Mit 60 Jahren verbinde ich wirklich viel: Wohlstand, Leistung, Vielfalt, politische Versäumnisse, Rassismus, gesellschaftliche Bereicherung – viel Positives, aber auch Negatives. Unsere gemeinsame Geschichte ist komplex und hat viele Facetten“, sagt Gökay Sofuoğlu, Bundesvorsitzender der TGD. „Insgesamt können wir eine Erfolgsgeschichte sehen. Eine Geschichte, die damit angefangen hat, dass Menschen ihre Heimat für die Hoffnung auf ein besseres Leben verlassen haben. Eine Geschichte, die weiterging mit den großartigen Leistungen und Herausforderungen der Migrant:innen und ihrer Kinder und die jetzt mit der Enkel- und Urenkel-Generation in der Gegenwart angekommen ist. Sie sind fester Bestandteil dieses Landes und tragen den Willen zur Teilhabe in sich. Das sind gute Nachrichten!“

Zu dieser Erfolgsgeschichte gehört aber auch eine andere Seite. „Innerhalb von 12 Jahren sind rund 900.000 Menschen aus der Türkei nach Deutschland gekommen. So viele unterschiedliche Menschen und trotzdem gibt es eine Reihe schmerzhafter Erfahrungen, die ihren Platz im kollektiven Gedächtnis der Deutschtürkinnen und Deutschtürken einnehmen“ meint Atila Karabörklü, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. „Da geht es um politische Fehler, wie die „Türkenklassen“, die Residenzpflicht oder die Rückkehrprämie unter Bundeskanzler Kohl. Und es geht um Rassismus und Rechtsextremismus, es geht um die vielen Mordanschläge und um den skandalösen Umgang der staatlichen Behörden damit. Wir glauben, dass eine ehrliche Auswertung der 60 Jahre notwendig ist, damit auch die Erinnerungen der „Gastarbeiter:innen und ihrer Kinder“ endlich zum Teil deutscher Geschichte werden können. Dann erst haben wir ein stabiles Fundament, auf dem wir eine Einwanderungsgesellschaft bauen können“, betont Karabörklü abschließend.