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Offener Brief – Für eine neue Diskussionskultur

“Deutschland muss Migranten und “neue Deutsche” für sich gewinnen, sonst verliert es wichtige Verbündete und verschwendet wichtiges Humankapital”, so Hilmi Kaya Turan. Den Standpunkt des arbeitsmarktpolitischen Sprechers der TGD teilen Tausende anderer “Mit-Denker”. Im Mittelpunkt steht immer noch die Suche auf die Antwort nach der Frage: “Wie können wir Migration gemeinsam erfolgreich gestalten?” Viele Migrantenorganisationen haben den Eindruck, dass die Diskussion nicht konstruktiv genug geführt wird und so in eine Konfrontation mündet…

Was passiert, wenn der Rassismus mit Springerstiefeln, durch einen Rassismus mit Anzug und Krawatte abgelöst wird? Ein Resultat ist, dass das Buch von Sarrazin millionenfach verkauft wird und viele demokratische Staaten im Ausland verwundert ihren Kopf gen Deutschland drehen. Dieses Land war über Jahrzehnte vorbildlich in Bezug auf ihre antifaschistische Bewegung und ihrem gemäßigten Nationalismus. Doch nur 65 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes, das Deutschland mit einer besonderen Verantwortung bedachte, scheint das Ruder wieder zurückzuschlagen. Dass es Diskussionsbedarf gibt, sprechen Migrantenselbstorganisationen seit Jahren offen aus. Viele Menschen und zahlreiche Experten deuten darauf hin, dass sich Deutschland öffnen müsse. Neben der Bewältigung einer Überfremdungsanst sollte man auch das Bild des modernen Deutschen erneuern, heißt es oft. “Neue Deutsche” mit Migrationshintergrund wollen anerkannte Bürger dieser Gesellschatt sein, ohne ewig gebrandmarkt zu werden.

Auch die Mehrheit der hier lebenden Migranten wollen keine Kriminalität und keinen Fundamentalismus. Sie wollen sozialen Frieden, Partizipation und Chancengleichheit. Die Parellelgesellschaft kann zu einer demokratischen und konstruktiven Stütze werden, wenn man sie teilhaben lässt. Fast niemand begibt sich freiwillig in eine gesellschaftliche Isolation. Viele sehen die Parallelgesellschaft als Auswuchs einer jahrelangen Ausgrenzung. Viele Migrantenorganisationen fordern nun: “Humanismus statt Kulturrassismus!”

OFFENER BRIEF

“Für eine neue Diskussionskultur”
Das Dokument wurde Anfang Dezember 2010, bereits in den ersten Stunden ,von rund 1000 Anwälten, Ärzten, Pädagogen und anderen tragenden Säulen dieser Gesellschaft unterzeichnet. Er wurde an alle zuständigen Ministerien und bundesweiten Medien geschickt, um eine positive Wende in der Diskussion zu erreichen

“Wir deutsche Bürgerinnen und Bürger mit türkischem Migrationshintergrund und türkische Staatsangehörige mit langjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland sind besorgt über die Diskussion der letzten Monate.
Wir sind besorgt darüber, dass Thesen und Behauptungen über Einwanderung und „Integration“, die früher als „Randerscheinungen“ abgetan wurden, nunmehr aus der Mitte der Gesellschaft kommen oder zumindest dort Zustimmung finden. „Rechtsextremismus ist kein Phänomen am ,Rand‘ der Gesellschaft, ganz im Gegenteil finden sich rechtsextreme Einstellungen in besorgniserregendem Maße in der Mitte der Gesellschaft.“ (aus der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung: Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010).
Wir leben seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland, haben in unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft Verantwortung übernommen und unseren Beitrag für unsere Gesellschaft geleistet, wie abertausende andere mit Migrationshintergrund.
Wir meinen, dass die einseitige Diskussion, die nur vermeintliche oder tatsächliche Defizite in den Vordergrund stellt und überwiegend und dem Problem nur mit Sanktionen begegnet, kontraproduktiv ist.
Wir haben große Sorge, dass die Weiterführung der Diskussion in dieser Art und Weise zur Wiederholung der tragischen Ereignisse in Folge der Asyldiskussion der neunziger Jahre führen könnte.
Wir alle fühlen uns durch die derzeitige Diskussion diskreditiert; unser Vertrauen und Engagement für unser Land und unsere Gesellschaft leidet darunter. Wir sind der festen Überzeugung, dass nur eine Willkommens-, Partizipations- und Empathiekultur die Diskussion versachlichen und die Motivation der Migrantinnen und Migranten stärken kann.

Wir stehen sowohl wirtschafts- als auch sozialpolitisch vor richtungsweisenden Entscheidungen, um Herausforderungen der Zukunft auch im weltweiten Wettbewerb meistern zu können. Wir wollen diese Zukunft verantwortungsvoll mitgestalten. Wir brauchen dazu Deutschland, Deutschland braucht aber auch uns.
Wir appellieren an Politik und Medien, für die gemeinsame Zukunft ihrer Verantwortung bewusst zu werden, das Zusammenleben und Zusammenwirken zu fördern und eiligst einen Neuanfang in diesem Sinne zu wagen.”

Wenn Sie diesen offenen Brief unterstützen wollen, schicken Sie uns bitte eine Mail mit Ihren Daten an: ulas.atay@tgd.de

Die Deutsch-Iranerin Dr. Naika Foroutan leitet ein Forschungsprojekt an der Humboldt-Universität, das sich mit Statistiken über Migranten beschäftigt. Sie sagt: “Sarrazins
Thesen sind einfach nicht wahr!” Die Soziologin Dr. Foroutan hat die Irreführung Sarrazins durch Statistiken aufgedeckt. In Ihrer Studie “Sarrazins Thesen auf dem Prüfstand” schlägt sie Sarrazin mit seinen eigenen Waffen…

Stimmt es, dass sich der Bildungsgrad von Migranten nicht erhöht?
Richtig ist zwar, dass Menschen mit türkischem Migrationshintergrund weniger gebildet sind. 22,5 Prozent von ihnen haben Abitur oder Fachabitur. In der ersten Generation der Gastarbeiter waren es jedoch nur drei Prozent – eine gewaltige Entwicklung.

Nimmt die Zahl von Kopftuchträgerinnen tatsächlich zu?
Das Kopftuch-Tragen in Deutschland nimmt über die Generationen hinweg deutlich ab.

Sind es vor allem Türken und Araber, die 20% der Gewalttaten in Berlin begehen?
Wir haben den Berliner Polizeipräsidenten gebeten, Stellung zu beziehen. In einem Brief teilte er mit, dass es 8,7 Prozent sind. Berücksichtige man die Dunkelziffer, seien es 13,3 Prozent. Wir wollen nichts beschönigen, aber wenn wir Fakten sprechen lassen, dann richtig. Dann müssen wir auch die Fakten im Grundgesetz und der Verfassung offen legen und einhalten. Mit unserem Dossier haben wir viele Fehler und Missinterpretationen entkräftet.