Kontakt

Emine Erol (Projektkoordination)
emine.erol[at]tgd.de

Obentrautstr. 72
10963 Berlin
+49 30 – 896 83 81 11

https://www.annefrank.de/bildungsarbeit/projekte/case-not-closed

Hintergrund

Das Projekt »Case Not Closed« ist eine Kooperation des Anne Frank Zentrums (Berlin) mit der Türkischen Gemeinde Deutschland und SEHAK (Istanbul). In »Case Not Closed« erforschen Jugendliche aus Deutschland und der Türkei Biografien von türkischen Jüdinnen*Juden, die in den 1930er Jahren in Berlin lebten. Das biografische und lokalgeschichtliche Projekt macht Geschichte erzählbar.

 

Foto: Anne Frank Zentrum

Geschichte erzählbar machen

Das Projekt möchte den Lebenswegen der 24 Frauen, Männer und Kinder durch lokalgeschichtliche Forschung mit Jugendlichen nachgehen. Dadurch trägt es dazu bei, die marginalisierten Geschichten türkischer Jüdinnen*Juden in Europa für uns heute wieder sichtbar und zum Bestandteil europäischer Erinnerung werden zu lassen. Denn ein großer Teil der in Europa lebenden türkischen Jüdinnen*Juden wurde Opfer der NS-Verfolgung und ermordet. Ihre Biografien blieben bis heute größtenteils unerforscht.

»Case Not Closed« möchte dazu beitragen, die Vielfalt von erzählten Geschichten zu vergrößern und Geschichtsbilder zu erweitern. Gegenwärtig werden Geschichten von Einwanderung und Migration, von internationalen Verflechtungen sowie intersektional (1) wirkender Diskriminierung nicht ausreichend anerkannt.

Durch die Annäherung an geschichtliche Themen mithilfe von Biografien können diese mit den eigenen Lebensgeschichten in einen Bezug gesetzt werden und werden so weniger abstrakt. Die Auseinandersetzung mit einer Biografie zeigt, wie zeitgeschichtliche Ereignisse auf einzelne Lebensläufe Einfluss nehmen. Zugleich werden Ereignisse in ihrer Komplexität und ihrer unterschiedlichen Bedeutung für Individuen erkennbar.

Türkische Jüdinnen*Juden in Berlin in den 1930er Jahren

In Berlin lebten Anfang der 1930er Jahre über 500 türkische Jüdinnen*Juden, die aus unterschiedlichen Gründen das Osmanische Reich bzw. die Republik Türkei verlassen hatten. Zur Auswanderung trieb viele von ihnen das nationalistische und teilweise antijüdische Klima in der Türkei. Ab 1933 waren auch die türkischen Jüdinnen*Juden in Deutschland von den schrittweise umgesetzten Verfolgungsmaßnahmen der Nationalsozialisten betroffen. Am 26. Oktober 1943 erfolgte auf Anordnung des Reichsicherheitshauptamts die Deportation von zwölf türkisch-jüdischen Frauen und drei Kindern aus Berlin in das Konzentrationslager Ravensbrück. Parallel wurden neun türkisch-jüdische Männer – überwiegend Angehörige der deportierten Frauen – in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Fünf der Männer wurden dort ermordet. Zehn der verhafteten Frauen und Kinder gelangten im März 1945 bei einem türkisch-deutschen Zivilgefangenenaustausch in die Türkei. Über die Lebenswege der verhafteten Frauen, Kinder und Männer ist insgesamt wenig bekannt, meist nur ihre Namen und ihre Geburtsdaten, teilweise ihre Todestage. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung besaßen sie noch die türkische Staatsbürgerschaft. Die Türkei hätte zu diesem Zeitpunkt ihre Freilassung fordern können.

Projektablauf: Lokalgeschichtliche Forschung von Jugendlichen im internationalen Kontext

Jugendliche aus Deutschland und der Türkei forschen von 2021-2022 über die türkischen Jüdinnen*Juden und deren Lebenswege in beiden Ländern. In Deutschland werden in Berlin, Brandenburg und Thüringen regionale Kleingruppen ihre Forschung vor Ort umsetzen. Analog forschen in der Türkei Kleingruppen zu lokalen Spuren der Biografien. Lokale Multiplikator*innen der außerschulischen Bildung steuern den Prozess vor Ort – in Deutschland in engem Kontakt mit dem Anne Frank Zentrum und der Türkischen Gemeinde Deutschlands, in der Türkei in engem Austausch mit der türkischen Bildungsinstitution SEHAK.

Foto: Anne Frank Zentrum

Lokale Aktionsräume, in denen sich Jugendliche auskennen und die ihre Biografie prägen, werden so der Ausgangspunkt für eine persönliche Forschung sein. Die Recherche »vor der Haustür« bietet die Chance, Kontinuitäten von Zeitgeschichte im regionalen Raum sichtbar und vorstellbar werden zu lassen.

Das Projekt richtet sich an Jugendverbände, Jugendgruppen und Organisationen aus Berlin, Brandenburg und Thüringen. Aus diesen Bundesländern werden jeweils ein bis zwei Gruppen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen und zwei Multiplikator*innen zur Teilnahme eingeladen. Sowohl die Jugendlichen als auch die Multiplikator*innen in Deutschland werden eng durch eine Seminar- bzw. Fortbildungsreihe begleitet. Die Termine finden in Berlin, in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sowie in der Gedenkstätte Buchenwald statt und bieten Raum für Recherchen vor Ort. Im Projektverlauf gibt es zwei internationale Treffen: eines in Deutschland und eines in der Türkei. Die Jugendlichen erstellen eine Dokumentation der Rechercheergebnisse und werden dabei von Expert*innen der kulturellen Bildung unterstützt.

(1) Intersektionalität beschreibt die Überschneidung von verschiedenen Diskriminierungsformen in einer Person, z.B. Antisemitismus, Rassismus, Sexismus oder Behindertenfeindlichkeit. Dabei addieren sich verschiedene Formen der Diskriminierung nicht nur, sondern können zu eigenständigen Diskriminierungserfahrungen werden.

Projektförderer